Kindheit

Die Freude König Henrys VIII. war grenzenlos, als seine dritte Frau Jane Seymour am 12. Oktober 1537 seinen Sohn und Thronfolger Prinz Edward zur Welt brachte. Im überschwänglichen Taumel der Feierlichkeiten fand die Geburt eines anderen Kindes von königlichem Blut kaum Beachtung: Ebenfalls im Oktober 1537 kam in Bradgate in Leicestershire (Mittelengland) ein Mädchen zur Welt, das ihre Eltern Henry und Frances Grey zu Ehren der Königin auf den Namen Jane taufen ließen.
 
Die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachte Jane in der Obhut ihrer Amme Ellen in der Kinderstube fernab von ihren Eltern. 1540 wurde Janes Schwester Katherine geboren, 1545 folgte Mary. Zum Ärger der Dorsets blieb ihnen ein Sohn und Stammhalter verwehrt. Sehr früh begann man, Jane auf ihre zukünftiges Leben bei Hofe und als Herrin eines adligen Hauses vorzubereiten: Standesbewusstsein, exzellente Manieren und „weibliche Tugenden" wie Fügsamkeit, Gehorsam und Passivität sollten dem Mädchen in Fleisch und Blut übergehen. Neben Stickerei, Musik und Tanz musste Jane lernen, wie man einen mehrere hundert Personen umfassenden Haushalt leitet. Es wird angenommen, dass Jane ab ihrem sechsten Lebensjahr vom Hauskaplan Dr. Harding Grundkenntnisse in Latein und Französisch beigebracht wurden, die die Basis für ihre weiteren Studien bilden sollten.
 
1546 nahm Janes vergleichsweise ruhiges Leben in der Kinderstube ein jähes Ende: Ihre Eltern übergaben sie der Obhut Katherine Parrs, der sechsten und letzten Frau König Henrys VIII. Bei ihr fand Jane mütterliche Liebe und Zuneigung, die sie zuvor nicht erfahren hatte. Durch ihren protestantischen Glauben übte Katherine großen Einfluss auf Janes religiöse Prägung aus.
 
Mit dem Tod des Königs wenige Monate später endete vorerst das Leben bei Hofe. Die Königinwitwe zog mit Lady Jane und ihrer Stieftochter Prinzessin Elizabeth nach Chelsea Palace vor den Toren Londons und achtete darauf, dass die theologischen und humanistischen Studien ihrer Zöglinge fortgesetzt wurden.
 
Vor Ablauf der offiziellen Trauerzeit heiratete Katherine heimlich Thomas Seymour, den Onkel König Edwards VI. Lady Jane wurde daraufhin Seymours Mündel und reiste 1548 in seinem Gefolge nach Sudeley Castle in Gloucestershire (Mittelengland), wo Katherine eine Tochter zur Welt brachte und wenige Tage darauf an den Folgen der schweren Geburt starb. Als Mitglied der königlichen Familie führte Lady Jane den Trauerzug der von ihr hochverehrten Königinwitwe an.
 
Nach Katherines Tod kehrte Jane für kurze Zeit zu ihren Eltern zurück, bevor diese erneut die Vormundschaft ihrer Tochter für die beachtliche Summe von 2000 Pfund an Thomas Seymour verkauften. Dieser versprach Janes Eltern, die Tochter mit dem König, seinem Neffen, zu verheiraten. Durch diesen Bund hoffte Seymour seinen Bruder Herzog Edward von Somerset als Lord Protektor von England zu verdrängen dessen Rolle zu übernehmen. Seine Ambitionen hatten katastrophale Folgen: Nach langem vergeblichen Warten auf eine Audienz brach Seymour schließlich gewaltsam in die Gemächer des Königs ein und wurde festgenommen. Des Hochverrates für schuldig befunden, wurde er 1549 enthauptet – das Todesurteil trug die Signatur des Lord Protektors, seines Bruders.
 
Lady Jane war gezwungen, zu ihren alles andere als erfreuten Eltern zurückzukehren. Unter Anleitung ihres Tutors John Aylmer nahm sie ihre Studien wieder auf und flüchtete sich in die Welt der Bücher.


 
 
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