1996-06-17

Altes Handwerk in neuem Kleid

Gestaltete Handeinbände und Ölmarmorpapiere von Bernd Weimar

Informationsseite zur Ausstellung in der UB Siegen, 27. November 1995 - 7. Januar 1996

Von Paul-Michael Oschatz


In seiner offiziellen Funktion als Leiter der Einbandstelle der Siegener Universitätsbibliothek steht Bernd Weimar nur selten vor der Aufgabe, ein Buch in kunstvoller Manier zu binden. Seine Alltagsarbeit besteht darin, die Einbindung der ca. 4.500 laufenden Periodika durch die Vertragsbuchbinder der UB zu veranlassen und zu überwachen. Auch für Monographien, die einer Einbindung bedürfen, liefert er den Vertragsfirmen die nötigen Vorgaben. Als gelernter Handbuchbinder tritt er selbst nur dann in Aktion, wenn es um knifflige und eilige Fälle geht, um Reparaturen und restaurative Eingriffe, um Mappen, Hüllen und Schuber. Eine solche Herausforderung ergab sich beispielsweise durch den Ankauf einer Faksimile-Ausgabe der Schedelschen Weltchronik (ihr war eine unserer letzten Ausstellungen gewidmet), deren lose gelieferte Bögen er gerade zu einem historisch adäquaten Schweinslederband zusammenfaßt.

Hinter der Wand

Ganzfranzband mit Ledermosaik. Blinddruck.
Dreiseitiger Graphitschnitt.


Bernd Weimar sorgt aber nicht nur für die äußere Gewandung der
Bibliotheksbücher, er
schaut auch in sie hinein. Er ist Mitglied der Büchergilde Gutenberg und
passionierter
Leser. Nur ein solcher kann auf die Idee kommen und diese in die Tat
umzusetzen
versuchen, den Büchern ein dem Inhalt angemessenes Gewand zu verleihen. Es
ist der
Ehrgeiz des künstlerischen  Buchbinders, den Einband so zu gestalten, daß
Inhalt und
äußere Gestalt ein Ganzes bilden. Das bedeutet aber auch, daß jedes
"overdressing" zu
vermeiden ist. Ein Schulbuch, ein Wörterbuch, ein Kochbuch darf nicht in
"Brokat"
gekleidet werden. Die Beispiele, die in der Ausstellung zu sehen sind,
kommen diesem Ideal
nahe.

Geschichten aus dem alten Japan

Edelpapierband mit Lederschienen. Bunt-
papier mit Egoline-Farben.


Der Buchbinder hat bei seiner Einbandgestaltung auf zweierlei zu achten:
Zum einen auf die
materielle Erscheinung des Buches, auf Typographie, Papier, Illustrationen,
und zum
anderen auf die geistige Erscheinung, die in Sprache, Stil, Thematik zum
Ausdruck kommt.
An Motive und Gedanken aus beiden Bereichen knüpft der intelligente,
einfühlsame
Buchbinder an, wenn er Material und Farben für den Einband wählt und sich
Gedanken über
Schmuckformen macht. Ein wichtiges Kapitel ist dabei die Auswahl der
Vorsatzpapiere.
Hier ist Bernd Weimar eigene, neue Wege gegangen, wie die kleine Auswahl
von
Ölmarmorpapieren an den Stellwänden erweist. Ebenso wie die Handeinbände
sind auch
seine ausdrucksvollen Buntpapierblätter allesamt Unikate, fast zu schade,
um zugeschnitten
zwischen zwei Buchdeckeln zu verschwinden.


© Dr. Rudolf Heinrich und Hans Dettweiler, UB Siegen